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Im Doppelpack - Piz Palü 3905 m und Piz Bernina 4048 m
von Matthias Hankel & Katja Schorcht 2006
Nachdem wir voller positiver Eindrücke von unserer Bergtour
Weissmies - Alphubel - Allalin im Sommer 2005 zurückgekehrt waren, stand
eigentlich schon fest: Das Equipment muss vervollständigt & die nächste
Bergtour geplant werden.
Die Vorbereitung auf den Rennsteigmarathon &
zahlreiche Wanderungen verschaffen uns die nötige Kondition, die Kletterei
am Turm und im Thüringer Wald verbessert unsere Kletterfertigkeiten. & so
geht es gleich am 1. Ferientag ins Engadin nach Pontresina.
Zur Gewöhnung an Höhe, Seilgehen & Steigeisen wandern wir
am
1.Tag über den Pers- & Morteratschgletscher. Der Weg führt von der
Seilbahnstation Diavolezza, ca. 3000m, zur Bovalhütte, 2495m, leicht bergab.
Dort beziehen wir unsere Lager & besprechen die 1. Besteigung.
Um 5 Uhr des Folgetages geht`s los. Zur Fuorcla Boval führte zunächst ein Steiglein,
später ein steiler Schuttkar, der schließlich vor einem Felsriegel endet.
Dieser ist durch leichte Kletterei zu überwinden und führt über die Fuorcla,
der tiefsten Einsenkung im Grat, 3347m, auf die vergletscherte Westseite der
Scharte. Nun heißt es Steigeisen anlegen & über Schnee & Eis den immer steiler
werdenden Firnhang hinaufzusteigen.
Nach 4 Stunden erreichen wir den Gipfel des Piz Morteratsch, 3751m.
"Oftmals sind es die kleineren Berge einer Gebirgsgruppe,
von denen aus man die eindrucksvollste Aussicht auf die Hauptberge des
Gebietes hat." Diese Textpassage aus einem unserer Bücher, welche uns die
Auswahl dieses Berges als Eingehtour erleichterte, soll sich nun bestätigen:
Vis-a-vis des Biancogrates des Piz Bernina liegen links die Eisnase des Piz
Camprena, die 3 Pfeiler des Piz Palü & die Bellavista-Gipfel & rechts Piz
Scerscen im Profil & die eisige steile Nordostwand des Piz Roseg.
Zurück zur Bovalhütte & ein 2-stündiger Marsch, vorbei an
Hunderten von singenden Italienern, weiter ins Tal bis Morteratsch-Dorf.
Nach 10 Stunden sind wir gut "ein"gegangen...!
Den Ruhetag gut überstanden, beziehen wir am 3.Tag unser
Quartier in der Diavolezza & nehmen uns den neu eröffneten Klettersteig
am Piz Trovat, 3146m, gleich 2mal vor. Von dort haben wir einen herrlichen
Ausblick auf unser nächstes Vorhaben, den Höhepunkt unserer Bergtour-Woche,
vor allem aber auf den Piz Palü: 3 großartige Gipfel, getragen von 3
majestätischen Felspfeilern, dazwischen das Eischaos der Hängegletscher.
Zusammen mit 2 weiteren Bergsteigern machen wir uns am frühen
Morgen des 4. Tages auf den Weg. Wir queren den Persgletscher, steigen über
die Isla Pers & den Fortezzagrat zur Bellavista-Terasse hinauf, queren diese
& legen im Rifugio Marco e Rosa, einer italienischen Hütte auf 3597m, eine kurze
Pause ein. Auf dem Weg über den Firnhang zum Gipfelanstieg erleben wir unsere
1. Bergrettung - zum Glück nur als Zuschauer! Der Spallagrat, die Alternative
zum Bianco, ist keineswegs ein Anstieg, den man geschenkt bekommt!
2 Felsaufschwünge wechseln mit steilen Firnpassagen,
bis sich der 4020m hohe Grat in Schwindel erregender Luftigkeit von der Spalla
zum Hauptgipfel schwingt. Die Breite eines Schwebebalkens erfordert ein genaues
Voreinandersetzen der Füße & äußerste Vorsicht, um nicht mit den Steigeisen an
den Gamaschen hängen zu bleiben. Konzentriertes Balancieren, das der Gruppe vor
uns nicht so recht gelingen will...!
Eindrucksvolle Wächten!
Wir halten uns unterhalb der Gratscheide & klettern
schließlich auf den felsigen 4048m hohen Gipfel des höchsten Berges der Ostalpen,
des Piz Bernina. Ein aufziehendes Gewitter sorgt für eine kurze Pause am Gipfel.
Wir eilen im Laufschritt zum Rifugio Marco e Rosa zurück, wo wir übernachten.
Trotz der Höhe von 3600m haben alle gut geschlafen. Gegen 5.30 Uhr machen wir
uns am 4.Tag auf den Weg. Vorbei an den 4 Bellavistagipfeln erreichen wir die Fuorcla
Bellavista & den westlichsten Punkt des Piz Palü, den Spinasgrat, dessen
zahlreiche Zacken & Höcker durch Kletterei im 2. Schwierigkeitsgrat zu
überwinden sind.
Vom Westgipfel, dem Piz Spinas, 3823m, führt ein steiler
Firnhang zum 3905m hohen Hauptgipfel des Piz Palü. Nach einer kurzen Pause
vollenden wir unsere Überschreitung. Ein weiterer, recht luftiger Grat führt
zur 3882m hohen Ostgipfel.
Vorbei an Wächten geht es die 45° steile Nordostflanke hinab
zum Eisbruch & den "Stromschnellen" des Persgletschers. Spalten, deren Verlauf
auch Bergführern jeden Tag neue Herausforderungen bieten, müssen weiträumig
umgangen, auf schmalen Brücken überquert oder sogar der Länge nach durchschritten
werden, bis sie an der Westflanke des Piz Cambrena langsam nachlassen.
Über die schuttige Ostflanke des Piz Trovat kehren wir gegen Mittag zur
Diavolezza zurück.
Heute blicken wir auf 3 kombinierte Touren zurück,
die aufgrund ihres Charakters vielfältige Anforderungen an uns stellten -
freies & gesichertes Klettern, Gletscherbegehungen
& das Überwinden zahlreicher Spalten, das Überschreiten von steilem, ausgesetztem
oder luftigem Gelände & schließlich das Passieren losen Gerölls & rutschiger
Schutthalden, der Alptraum eines jeden Wanderstockes.
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